DARMBACH–OFFENLEGUNGSPROJEKT

Immer wieder gab es in Darmstadt den Wunsch, den verlorenen Stadtbach (Darmbach) zurück zu gewinnen, ihn gleichsam aus “der Versenkung zu holen”. Ein erstes Teilstück, etwas außerhalb der Innenstadt, war auch bereits wiederhergestellt worden (Foto links). Die lokale Politik begrub aber das Projekt im Stadtparlament im September 2009, nachdem im lokalen Presseorgan, dem Darmstädter ECHO, eine Reihe von Artikeln erschienen waren, die die nötige Stimmung hierfür vorbereitet hatten.

Zahlreiche Darmstädter*innen sind mit diesem Begräbnis eines lebendigen Gewässers aber nicht einverstanden und kämpfen daher für eine Fortführung der Wiederherstellung des Darmbachs, denn letztlich wäre dies eindeutig im Sinne der Stadt und ihrer Bürger. Auch ich habe mich von der Sinnhaftigkeit dieses Wiederherstellungs-Projektes überzeugt und bin deshalb Vereinsmitglied im Darmbach e.V. geworden, einem Verein, der sich aktiv um den Gewässerschutz in Darmstadt kümmert. Dieser Verein ist in der glücklichen Lage, nicht nur zahlreiche engagierte Bürger, sondern auch eine ganze Reihe hochkaratiger Fachleute der Wasserwirtschaft und der Gewässerkunde als aktive Mitglieder in seinen Reihen zu haben.

Dieser Verein ist aber auch in der unglücklichen Lage, dass er eine Bürgerinitiative verkörpert, die für und nicht gegen ein sog. Großprojekt ist. Daraus ergeben sich vielfache praktische und psychologische Konsequenzen, auch die, dass es in der Regel für die Gegner eines innovativen Projektes prinzipiell einfacher ist, eine Mehrheit in der Bevölkerung zu erreichen als für seine Befürworter. Zum anderen hat in Europa, inkl. Deutschland, die negativ-kritische Stellungnahme immer eine intellektuell höhere Wertigkeit als das Einverständnis und die Unterstützung einer Aktion. Letzteres gilt oft als blauäugig und leichtgläubig, während ersteres Durchblick und Denkfähigkeit verrät. Auch aus diesem Grund müssen sich die Befürworter des Darmbach-Offenlegungsprojektes immer wieder vorhalten lassen, romantische Träumer zu sein, denen die Sicht auf die Realitäten des Lebens versperrt sei.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass beim Bau des Kongresszentrums “Darmstadtium” ein Teilstück der offenen Stadtbaches gebaut wurde, welches zwar bisher aufgrund der fehlenden Anschlüsse kein Bachwasser führen kann, aber durch Sicherheitsmängel zu diversen Radfahrerunfällen geführt hat. Dadurch ergab sich 2011 ein entsprechendes Presseecho (inkl. Leserbriefe), denn natürlich hatten die zuständigen Redakteure des Darmstädter ECHO ihre Ansichten von 2009 im Jahr 2011 noch nicht zu den Akten gelegt. Es ist allerdings unklar, warum sie die Zeit nicht genutzt haben, sich über die Grenzen der Stadt hinaus sich zu informieren und zu sehen, wie weltweit inzwischen mit in der Vergangenheit verrohrten Fließgewässern umgegangen wird. 2011 musste man leider fetstellen, dass sie die notwendigen Einsichten noch nicht vollziehen konnten.

Bleibt der zentrale Gedanke, dass es sich immer lohnt, für eine sinnvolle und zukunftsorientierte Sache zu kämpfen und einzustehen. Ob ein solcher Einsatz letztlich zum Erfolg führt, ist selten abzusehen. Da aber sinnlose Dinge sich auf Dauer nicht behaupten können, ist es berechtigt, optimistisch zu sein. Man sollte aber auch anmerken, dass ein solcher Einsatz immer notwendig ist, sogar unabhängig von seinem erfolgreichen Ausgang, denn sachlichen, politischen und rechtlichen Unfug darf man in einer freiheitlichen Grundordnung nicht widerspruchslos hinnehmen.

Vielfach wurde auch das Argument vorgebracht, dass das Offenlegungsprojekt keine gesetzliche Notwendigkeit darstelle. Es wurde sogar den Unterstützern des Projektes vorgeworfen, mit bewussten Unwahrheiten das Projekt durchdrücken zu wollen. Der begründete Hinweis der Projekt-Unterstützer, dass auch die Gesetzeslage (z.B. die Europäische Wasserrahmenrichtlinie von 2000) die Stadt zwinge, früher oder später, das Projekt in die Tat umzusetzen, um den ökologischen Zustand dieses Gewässers wieder naturnäher herzustellen, wurde ohne ausreichende Prüfung der Rechtslage vom Tisch gewischt. Ein aus diesem Grund erstelltes Rechtsgutachten (2011/2012) kommt zu der eindeutigen Feststellung: die Wissenschaftsstadt Darmstadt muss handeln, die Anschuldigungen der Projektgegner haben keine stabile Rechtsgrundlage. Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen (Hessenschau am 23.09.2012) berichtete über den damaligen Stand und inzwischen haben auch die Journalisten*innen der Darmstädter Presse die Notwendigkeit erkannt, sich um die geringen Wasserressourcen zu bemühen, die der Stadt zur Verfügung stehen. Leider hat sich trotzdem bis heute (2023) die Situation noch nicht durchschlagend verändert. Das Problem des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses ist, dass Fakten kaum eine Rolle spielen, während politische Überzeugungen den Ausschlag geben.